Londoner Schuldenabkommen

Hermann Josef Abs unterzeichnet das Londoner Schuldenabkommen am 27. Februar 1953
Anleihe über 20 £ der Stadt Köln vom 1. Oktober 1928, mit abgeänderten Bedingungen aufgrund des Londoner Schuldenabkommens

Mit dem Londoner Schuldenabkommen (auch: Abkommen über deutsche Auslandsschulden, im Folgenden auch kurz LSA), das nach langwierigen Verhandlungen am 27. Februar 1953 in London unterzeichnet und durch Gesetz vom 24. August 1953 für das Bundesgebiet ratifiziert wurde (BGBl. 1953 II 331, 556), wurden die deutschen Auslandsschulden geregelt. Die dem Abkommen bis 1956 beigetretenen Staaten vertraten mehr als neunzig Prozent der Forderungen gegen Deutschland.

Zum überwiegenden Teil stammten die Schulden aus wirtschaftlichen Hilfeleistungen der Nachkriegszeit, vor allem aus der Hilfe aus dem Marshallplan. Ein großer Teil stammte noch aus der Zeit vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und bestand aus den Vorkriegsschulden des Deutschen Reiches und aus von amerikanischen Banken gewährten Anleihen aus der Zwischenkriegszeit. Ein kleiner Teil bestand aus offenen Auslandsschulden, die auf Reparationsforderungen des Versailler Vertrages zurückgingen. In diesem Abkommen wurden weiterhin auch private Anleihen, Forderungen aus dem Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sowie Stillhalteschulden behandelt. Die Schulden aus der Nachkriegszeit wurden schließlich in bilateralen Verträgen zwischen den Gläubigerstaaten und der Bundesrepublik Deutschland geregelt, während das Londoner Schuldenabkommen multilaterale Vereinbarungen über die Vorkriegsschulden enthält.

Unter der Verhandlungsführung von Hermann Josef Abs konnte die deutsche Delegation einen hohen Schuldennachlass erreichen. Die anfänglich berechneten Schulden in Höhe von 29,3 Milliarden Mark wurden auf 14,8 Milliarden reduziert, wobei besonders die USA großzügig auf Rückzahlungen verzichteten.[1] Diese Summe bildete die Basis für jährliche Tilgungs- und Zinszahlungen. Die Fälligkeitstermine von Anleihen wurden hinausgeschoben, zum Teil bis 1994. Die letzte Rate wurde allerdings bereits 1966 geleistet. Das Londoner Schuldenabkommen bezog die Forderungen von 70 Staaten ein, von denen 21 als Verhandlungsteilnehmer und Vertragsunterzeichner unmittelbar in Erscheinung traten.

Die Westmächte hatten im September 1950 die Übertragung weiterer Souveränitätsrechte an den westdeutschen Teilstaat an die Bedingung geknüpft, dass diese Fragen geregelt würden. Die Bundesrepublik musste die aufgelaufenen Auslandsschulden prinzipiell anerkennen, um ihren Anspruch auf staatsrechtliche Identität mit dem Deutschen Reich international durchzusetzen. Zur gleichen Zeit wurde das Luxemburger Abkommen verhandelt, in dem die Übernahme der Eingliederungskosten von Juden, die den Holocaust überlebt hatten, und die Rückerstattung jüdischer Vermögenswerte vereinbart wurde. Die Ratifizierung des Londoner Schuldenabkommens und des Luxemburger Abkommens waren politische Vorbedingungen, um den Besatzungsstatus aufzuheben. Länder des Ostblocks waren nicht beteiligt; weder leistete die DDR Zahlungen, noch wurden die Ansprüche der Ostblockstaaten überhaupt berücksichtigt.

Die Frage deutscher Reparationen für Verluste und Schäden im Zweiten Weltkrieg war bei den Londoner Verhandlungen kein offizielles Thema. Alle ausstehenden[2] Forderungen auf Reparationen wurden im Londoner Abkommen bis zu dem Zeitpunkt einer endgültigen Regelung zurückgestellt (Artikel 5 Abs. 2[3] LSA); sie sollten bis zum Abschluss eines förmlichen Friedensvertrags – eine wörtliche Bezugnahme auf diesen fehlt allerdings – aufgeschoben werden, der jedoch nie geschlossen wurde: 1990 wurde der Zwei-plus-Vier-Vertrag „anstatt eines Friedensvertrages“ unterzeichnet. Daraus ergibt sich, dass die Reparationsfrage nach dem Willen der Vertragspartner – der vier Siegermächte sowie der beiden deutschen Staaten[4] – nicht mehr geregelt werden sollte.[5]

  1. Peter Graf von Kielmansegg: Nach der Katastrophe. Eine Geschichte des geteilten Deutschland, Berlin 2000, ISBN 3-88680-329-5, S. 148.
  2. Im Pariser Reparationsabkommen vom 14. Januar 1946 waren Auslandsguthaben beschlagnahmt worden, deren Wert jedoch nur einen Bruchteil kriegsbedingter Entschädigungsansprüche darstellte.
  3. Jenem Absatz des Londoner Schuldenabkommens kam dabei eine Schlüsselrolle für die gesamte künftige Behandlung der Entschädigungsfrage in der deutschen Rechtsetzung und Rechtsprechung zu: „Eine Prüfung der aus dem Zweiten Weltkriege herrührenden Forderungen von Staaten, die sich mit Deutschland im Kriegszustand befanden oder deren Gebiet von Deutschland besetzt war, und von Staatsangehörigen dieser Staaten gegen das Reich und im Auftrage des Reichs handelnde Stellen oder Personen […] wird bis zur endgültigen Regelung der Reparationsfrage zurückgestellt.“ (BGBl. 1953 II S. 333)
  4. Marcel Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl., Rn. 218.
  5. Dazu ausführlich Bernhard Kempen, Der Fall Distomo: griechische Reparationsforderungen gegen die Bundesrepublik Deutschland, in: Hans-Joachim Cremer/Thomas Giegerich/Dagmar Richter/Andreas Zimmermann (Hrsg.): Tradition und Weltoffenheit des Rechts. Festschrift für Helmut Steinberger (= Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht; Bd. 152), Springer, Berlin [u. a.] 2002, S. 179–195, hier S. 193 f.

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